Haben Sie vor, künftig weniger zu fliegen? Diese Frage beantwortete gut ein Zehntel der Menschen in Deutschland bei einer repräsentativen Befragung mit "Ja". Das war kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie.

Im Lockdown kamen Industrieproduktion und Verkehr zum Erliegen. Plötzlich boomten Homeoffice und Videokonferenzen. Eine Zeit lang sah es so aus, als hätte die Luftfahrt ihre wachstumsstarken Jahre hinter sich.

 

Doch mittlerweile hat sich der Wind erneut gedreht. Es wird wieder annähernd so viel geflogen wie vor der Pandemie. Die Branche wächst überall auf der Welt und fliegt damit den Klimazielen meilenweit davon.

Wie lässt sich gegensteuern? Dazu hat das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) am Mittwoch einen ausführlichen Bericht veröffentlicht, erstellt von Forschenden des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT).

"Die Nachfrage nach Flügen steigt"

Der sperrige Titel des Berichts – "Innovative Antriebe und Kraftstoffe für einen klimaverträglicheren Luftverkehr" – drückt bereits aus, wo das Dilemma liegt: Nach heutigem Stand zeichnet sich nicht ab, dass Fliegen in absehbarer Zeit klimaneutral wird, bestenfalls wird es etwas weniger klimaschädlich.

Um die Branche vollständig klimaneutral zu machen, wäre sehr viel zu tun, unterstreicht die Studie. Man müsste die Treibhausgasemissionen des Luftverkehrs mit Klimaschutzprojekten kompensieren, die tatsächlich funktionieren. Man müsste zumindest einen Teil des vom Fliegen verursachten CO2 wieder aus der Atmosphäre herausholen. Und der wichtigste Punkt: Es müsste auch deutlich weniger geflogen werden.

Bislang geht der Trend in die andere Richtung. Weltweit stehen die Zeichen auf starkes Wachstum, was das Fliegen betrifft. Zwar sind Schätzungen zufolge zwischen 80 und 90 Prozent der Weltbevölkerung noch nie geflogen. Aber: "Ein steigendes Mobilitätsbedürfnis zusammen mit einer wachsenden Weltbevölkerung lässt die Nachfrage nach Flügen steigen", notiert der Bericht.

Auch die weltweite Flugzeugflotte wächst und wird sich 2042 voraussichtlich auf rund 47.000 Maschinen verdoppelt haben. "Ein Wertewandel, der zu einem Rückgang von Flugreisen führt", so formulieren es die Forschenden, "ist gegenwärtig nur schwer zu erkennen."

Technische Alternativen bisher nicht breit einsetzbar

Der Schaden fürs Klima, den die Luftfahrt verursacht, lässt sich laut Bericht immerhin begrenzen. Für ein klimaverträglicheres Fliegen steht eine ganze Reihe von Möglichkeiten zur Verfügung, die idealerweise kombiniert werden sollten. Die wichtigsten Stichworte sind, wie schon im Titel der Studie angesprochen: neue Antriebsformen und klimafreundlichere Kraftstoffe.

Zweirumpf-Leichtflugzeug im Anflug vor grauem Himmel und Landschaft im Dunst.
An Wasserstoffantrieben wird geforscht, doch eine breite Anwendung ist nicht abzusehen. (Bild: Jean-Marie Urlacher/​DLR)

Auf Regional- und Kurzstrecken könnten Elektroantriebe, Wasserstoff-Brennstoffzellen oder Hybridantriebe zum Einsatz kommen, auf Mittel- und Langstecken sogenannte Sustainable Aviation Fuels, also Biokerosin, grüner Wasserstoff oder daraus synthetisierte E‑Fuels. Diese sind allerdings knapp und teuer und erfordern einen sehr hohen Energieeinsatz.

Und es gibt eine weitere Einschränkung: Bis eine Anwendung in relevanter Größenordnung möglich ist, werden vermutlich noch mindestens 20 bis 30 Jahre vergehen, "da die Technologien entweder noch nicht ausgereift oder die verfügbaren Mengenpotenziale der Kraftstoffe kurzfristig nicht ausreichend sind".

Den Kraftstoffverbrauch zu reduzieren ist daher eine weitere wichtige Stellschraube. Auch hier gibt es zahlreiche Optionen, etwa effizientere Flugrouten, eine bessere Auslastung der Flugzeuge oder eine geringere Reisegeschwindigkeit und langsamere Sinkflüge sowie ein optimiertes Luftraummanagement, um Umwege zu vermeiden.

Denkbar wären auch Luftbetankungen, wie sie beim Militär bereits eingesetzt werden. Bei Langstreckenflügen, wo mehr als die Hälfte des Flugzeuggewichts auf den Treibstoff entfallen kann, könnten so bis zu 40 Prozent des Kerosins eingespart werden.

Spezifische Flugrouten sowie ein geringerer Anteil von Aromaten und Schwefel im Kerosin können zudem die sogenannten Nicht-CO2-Effekte verringern. Gemeint sind Kondensstreifen und Zirruswolken, die beim Fliegen entstehen. Sie verursachen sogar den größten Teil der Klimawirkung, nämlich zwei Drittel – doppelt so viel wie der CO2-Ausstoß der Flugzeuge.

 

"Der Bericht bietet einen guten Überblick", lobt Volker Grewe vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), der nicht an der Studie beteiligt war. Doch wie eine Trendwende zum klimaneutralen Fliegen gelingen kann, wird in der Studie nur am Rande erwähnt, etwa mit dem Vorschlag, eine Kerosinsteuer zu erheben.

"Der wichtigste Ansatz der Emissionseinschränkung – die Reduzierung der Nachfrage nach Flügen – wird kaum diskutiert", kritisiert der Verkehrsforscher Stefan Gössling von der Linné-Universität im schwedischen Kalmar. "Forschungs- und Entwicklungsförderung kann die Probleme nicht lösen und macht außerdem den Staat mitverantwortlich für die Lösung. Verantwortlich ist die Luftfahrt."

Gösslings Forderungen: ein CO2-Preis von mehreren hundert Euro, Verbot von Kurzstreckenflügen und von Frequent-Flier-Bonusprogrammen, die zu weiteren Reisen ermuntern, sowie Einschränkungen bei der kleinen Gruppe der Vielflieger mit mehr als zehn Flügen pro Jahr, denn sie verursachen den Großteil der Emissionen.

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